Klinische Manifestationen

Man unterscheidet drei aufeinanderfolgende klinische Phasen:

 

1. Eine Anfangsphase, die in der Kindheit oder Jugend beginnt und gekennzeichnet ist durch das Auftreten:

  • Paroxismale Schmerzen an den Extremitäten oder Akroparästhesien:

Auftreten in 80 % aller Fälle. Es handelt sich dabei um wiederholt auftretende brennende Schmerzattacken an den Extremitäten. Sie können sich über alle vier Extremitäten oder das Abdomen erstrecken und die Symptomatik eines akuten Abdomen annehmen. Auslösende Faktoren sind Wärme, körperliche Anstrengung und Fieber. Die Dauer eines solchen Anfalls kann zwischen wenigen Minuten und mehreren Tagen betragen. Solche Krisen können daneben mit Arthralgien, Fieber und/oder einer erhöhten BSR einhergehen, was beim Kind einen Morbus Still imitieren kann.

  • Kutane Anzeichen – Angiokeratom:

Auftreten in 80 % aller Fälle. Hierbei handelt es sich um dunkelrötliche Läsionen, die erweiterten intradermalen Äderchen entsprechen und beim Glasspateltest nicht verschwinden. Sie kommen in erster Linie an Gesäss, Oberschenkel und Skrotum vor.

  • Hypo- oder Anhydrose:

Auftreten in 90 % aller Fälle. Sie trägt zur Entwicklung von Fieber und zur Auslösung von Akroparästhesien bei. Die Erkrankten vertragen keine Hitze und vermeiden längere physische Anstrengungen.

  • Manifestationen im Verdauungstrakt:

Auftreten in 60 % aller Fälle. Es handelt sich dabei in erster Linie um postprandiale, kolikartige Abdominalschmerzen mit durchfallartigen Episoden (mehr als 10 Stuhlgänge/Tag). Hierzu gesellt sich eine Lipidintoleranz.

  • Ophthalmologischer Manifestationen:

Auftreten in 70 % aller Fälle. Typische Anomalie: Vortexkeratopathie, bei der es sich um wirbelartige flockige, asymptomatische Trübungen (aus GSL bestehende Ablagerungen) handelt. Es wurde auch von Fällen eines zu einem späteren Zeitpunkt auftretenden Katarakts berichtet. Daneben Tortuosität/Weitung der Gefässe von Retina und Bindehaut.

 

2. Eine Ruhephase im Alter zwischen 20 und 30 Jahren, gekennzeichnet durch:

  • die Abschwächung von Intensität und Häufigkeit der Akroparästhesien
  • das Auftreten einer Proteinurie bei der Mehrzahl der hemizygoten Patienten

 

3. Eine viszerale Phase nach Erreichen der Altersschwelle von 30 Jahren, in deren Verlauf eintritt:

  • eine chronische Niereninsuffizienz:

Diese betrifft nahezu alle hemizygoten Patienten und erreicht ihr Endstadium in einem Alter von ca. 50 Jahren. Eine arterielle Hypertonie trifft man in weniger als 50 %, ein nephrotisches Syndrom in etwa 20 % der Fälle an.

  • eine ischämische Hirnschädigung:

Wiederholte TIA/CVA treten in mehr als 50 % der Fälle auf, überwiegend im Vertebro-Basilar-Bereich. Klinisch manifestiert sich die Störung häufig mit einer anfänglichen Hörbeeinträchtigung und/oder vestibulären Störungen. Bei älteren Patienten kann es zu einer vasulären Demenz führen. Periventrikuläre Anomalien der weissen Substanz sind bei der Mehrzahl der über 30-jährigen im MRI anzutreffen. Sie entsprechen einer gestörten cerebralen Mikrozirkulation. Daneben beobachtet man eine Dolichoektasie der Arteria basilaris sowie ein symmetrisch starkes Signal im Thalamus (Pulvinar Sign).

  • eine hypertrophe Kardiomyopathie:

Auftreten in mehr als 60 % der Fälle einer konzentrischen linksventrikulären Hypertrophie (LVH). Echokardiographisch kann ein verkürztes PR-Intervall (0.12 s) bestehen, Arrhythmien wie zum Beispiel Vorhofflimmerns oder anderre Erregungsleitungsstörungen, Repolarisationstörungen wie T-Inversionen Herzklappenbeteiligungen (Mitral, Aorta) und bei mehr als 30 % der hemizygoten Patienteneine Ektasie (Aneurisma) der Aorta ascendens. Entwicklung einer Herzinsuffizienz sowie Kammerarrhythmien aus. Die Pathogenese der Kardiomypathie ist nach wie vor nicht eindeutig definiert.

  • eine obstruktive Atemwegserkrankung:

Anzutreffen bei der Mehrzahl der hemizygoten Patienten über 40, verursacht durch eine abnorme Verdickung der Bronchialwand. Sie spricht in der Regel nicht auf Bronchospasmolytika an.

  • sonstige häufige Manifestationen:

Erschöpfung; Raynaud-Syndrom; Lymphödem der unteren Gliedmassen; niedriger Wuchs; akromegaloide Gesichtszüge.

 

Dieses schwere viszerale Leiden war vor dem Aufkommen der Dialyse und der Enzymersatztherapie verantwortlich dafür, dass die Mehrzahl der Patienten im Alter zwischen 40 und 60 Jahren vorzeitig verstarb.

Manche Erkrankte entwickeln Spätformen der Krankheit und weisen lediglich eine Niereninsuffizienz (renale Variante) oder eine hypertrophe Kardiomyopathie (kardiale Variante) beim Erreichen eines Alters von etwa 60 Jahren auf.